Incremental City : Urban Coding für zukünftige koproduzierte Städte
Karlsruhe, 2021. 

Dr. Manuel Giralt

Nach Zahlen der Vereinten Nationen wird die weltweite Bevölkerung bis ins Jahr 2050 von heute circa 7,8 auf insgesamt 10 Milliarden wachsen. Gleichzeitig schreitet der Trend zur Urbanisierung weiter voran. In Summe wird nahezu der gesamte Bevölkerungszuwachs in Städten stattfinden und demnach die Stadtbevölkerung bis ins Jahr 2050 von 3,6 auf über 6 Milliarden ansteigen. Dieses Wachstum verteilt sich jedoch nicht gleichförmig, sondern konzentriert sich vornehmlich auf Schwellen- und Entwicklungsländer. Es ist aufgrund der dortigen ökonomischen Rahmenbedingungen anzunehmen, dass ein Großteil dieses Wachstums von informellen Siedlungen aufgefangen werden muss. Prognosen der Vereinten Nationen gehen davon aus, dass die Einwohnerzahl informeller Siedlungen bis ins Jahr 2050 deutlich ansteigt und ein beträchtlicher Teil zukünftiger städtischer Entwicklung im informellen Sektor stattfinden wird.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen rufen verschiedene Experten dazu auf, den informellen Sektor als zukünftig vorherrschende Form der Stadtproduktion zu akzeptieren, das Entstehen von Selbstbausiedlungen zu antizipieren und in formelle Planungsprozesse einzubeziehen. Tatsächlich sind auf der städtebaulichen Maßstabsebene derzeit nur wenige Entwicklungsmodelle und Planungsstrategien für schnell wachsende Städte des Globalen Südens verfügbar. Ziel dieser Arbeit ist es, dazu beizutragen, diese Forschungslücke zu schließen.

Die Dissertation greift daher den obigen Ansatz auf und entwickelt ihn zu einem hybriden Stadtentwicklungsmodell weiter, welches sowohl Aspekte von Top-down-Planungen als auch Freiräume für informellen Selbstbau und Bottom-up-Selbstorganisation in sich vereint. Ein Schlüsselkonzept dieses Modells bilden adaptierbare Infrastrukturgerüste, welche zukünftige Entwicklungen in geordnete Bahnen lenken sollen. Die Zwischenräume des somit entstehenden Gerüsts werden vornehmlich im Selbstbau mit verschiedenen Wohntypologien gefüllt und durch dienende Nutzungen ergänzt.

Ein solches Stadtentwicklungsmodell gleicht einem Paradigmenwechsel in der Stadtplanung, da informelles Wachstum antizipiert und formelle Planungsmethoden im Umgang mit Selbstbausiedlungen an die Belange der lokalen Communities angepasst werden müssen. Für die Behörden bedeutet dies, dass derzeit extralegale Formen der Stadtproduktion zukünftig innerhalb ihrer Territorien zulässig sein könnten. Voraussetzung ist jedoch, dass sowohl die Behörden im Sinne einer verantwortungsvollen Regierungsführung, als auch die zukünftigen Bewohner selbstgebauter Nachbarschaften grundlegenden Regeln und Pflichten folgen. Dieser Planungsansatz basiert auf den Prinzipien der Partizipation in Entscheidungsprozessen, Zusammenarbeit in der Umsetzung und gemeinschaftlicher Verantwortung für das Ergebnis. In diesem Kontext ist insbesondere die Gestaltung der Schnittstelle zwischen der formellen und der informellen Ebene sowie die Zuordnung der Entscheidungshoheit und Verantwortung ausschlaggebend, um eine erfolgreiche Koproduktion zukünftiger Stadterweiterungen zu ermöglichen.

Das Urban Coding des resultierenden Stadtentwicklungsmodells basiert auf zwei Säulen: dem Urban Plan, einem räumlichen Strukturkonzept und den zugehörigen Kennzahlen für die Stadtplanung, sowie dem Urban Code, den grundlegenden Regeln und Pflichten für Siedler und zuständige Behörden. Durch die Kombination räumlicher Stadtstrukturen mit einem anwendungsorientierten Regelwerk entsteht ein alternatives Stadtentwicklungsmodell, welches im Kontext zukünftiger koproduzierter Städte in verschiedenen Planungsprozessen als Werkzeug dienen kann.

Verlag. Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Karlsruhe.DOI: 10.5445/IR/1000136020
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